Grüner Streamen

Greenpeace Braunschweig | Info
Greenpeace Braunschweig | Info Greenpeace Ortsgruppe • 15 November 2021
in der Gruppe Greenpeace Braunschweig

Von Tanja Bellack, Greenpeace Braunschweig, Stand 04/2020

Grüner Streamen ohne Schuldgefühle – geht das?

Netflix, Amazon Prime, YouTube, die Onlinevideotheken der Fernsehsender – mitten in der Corona-Krise läuft das Netz heiß mit gestreamten Daten. Videokonferenzen mit den Kolleg:innen, schnell mal auf YouTube eine Anleitung gecheckt, die Musik im Hintergrund kommt von Spotify, Videospiele der Kinder im Wohnzimmer und abends nett Fernsehen oder eine Serie genießen. Fehlende soziale Kontakte werden häufig durch Videos kompensiert.

Aber auch sonst werden laut einer Greenpeace-Studie über 80 % des Datenvolumens im Internet durch Streaming und 60 % insgesamt durch privaten Videokonsum verursacht [I] – Tendenz steigend. Doch wie sieht es da mit dem ökologischen Fußabdruck aus? Wie grün sind Google, Facebook, Microsoft und Co wirklich? Und wieviel Energie verbraucht das gestreamte Video wirklich?

Dynamische Entwicklung

Videostreaming war in den vergangenen Jahren die Hauptursache für das Anwachsen der Datenflut im Internet, wie das c’t Magazin [II] schreibt. Es setzt sich zusammen aus Video on Demand (Netflix, YouTube, Amazon Prime, aber auch Mediatheken der TV-Sender), IPTV-Diensten wie Magenta TV der Telekom und Social-Media-Videos auf Facebook und Instagram.

Der CO₂-Ausstoß der Gesamt-IT macht rund 2,5 - 3 % des globalen CO₂-Ausstoßes aus, wie c’t berichtet. Das klingt nach wenig, allerdings verläuft die Entwicklung sehr dynamisch:

  1. Immer mehr Menschen weltweit nutzen das Internet (laut UNESCO haben bisher erst 60 % aller Menschen weltweit einen Internetzugang).
  2. Onlinevideos haben eine immer höhere Auflösung (z.B. 4K statt Full HD).
  3. Videostreaming löst andere Verbreitungsformen ab (z.B. mehr IPTV statt Kabelfernsehen).
  4. Weil die Infrastruktur immer leistungsfähiger wird, wird Streaming immer günstiger.

 

Wie verhält es sich also mit den Emissionen?

Rund 60 Prozent des gesamten Internet-Datenverkehrs entfallen auf Videos [III]. In den USA etwa ist Netflix für ein Drittel des Gesamttraffics verantwortlich [IV]. Die jährlich durch Streaming verursachten Treibhausgase weltweit entsprechen damit in etwa dem, was ganz Spanien pro Jahr emittiert. Dabei hängt die Klimabilanz beim Streaming stark von Endgerät und Ökostromanteil im jeweiligen Land ab – Deutschland hat einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix als etwa die USA oder Frankreich.

Der Energiebedarf setzt sich zusammen aus den Verbrauchswerten von Endgeräten, Netzwerken und Rechenzentren. Für ein Heim-WLAN kann man grob mit 5 Watt und für Netze und Rechenzentren mit 10 Watt rechnen [V]. Eine Stunde Videostreaming am 3-Watt-Smartphone kommt so auf einen Gesamtverbrauch von 0,018 kWh und damit 9 g CO₂. Am 100-W-Fernseher wären es schon 56 g CO₂. Das Berliner Borderstep Institut geht von höheren Werten aus und rechnet mit 30 bis 500 g CO₂ pro Stunde. Über Mobilfunknetze ist der Energieverbrauch noch höher als via WLAN.

IT-Konzerne: Gute Ökobilanz oder Greenwashing?

Das Internet wird grün – behaupten die Unternehmen. So will Google schon seit 2007 „CO₂-neutral“ sein, Microsoft seit 2012 und Amazon will bis 2040 so weit sein. Aber was verbirgt sich dahinter?

Oft lässt sich noch kein klarer Trend feststellen, da die Konzerne ihre Daten erst seit kurzem und mitunter unvollständig veröffentlichen. So will beispielsweise das Unternehmen Amazon mit einem aktuellen Ökostromanteil von 17 % bis 2040 CO₂-Neutralität erreichen. Google ist durch den Bau von Windrädern und Solarparks Ökostromvorreiter, bietet aber erst seit kurzem Daten zur Lieferkette. Bei Facebook verhält es sich ähnlich. Microsoft berichtet umfassend und will bis 2030 sogar CO₂-negativ werden, indem es mehr Ökostrom ins Netz einspeist, als es verbraucht. Statt der beworbenen 100 % Ökostrom stammen bisher allerdings nur 60 % aus tatsächlich erneuerbaren Quellen. Eine Ausnahme bildet das Unternehmen Apple, welches umfassend berichtet und seit Jahren einen rückläufigen CO₂-Ausstoß vorweisen kann. Einziges Manko: Die Zulieferer sind noch lange nicht grün, und was ein Unternehmen nicht selbst fertigt, fällt beim Energieaufwand aus dessen Ökobilanz. Es ist also fraglich, wie viel die Klimabilanzen mit den tatsächlichen Emissionen zu tun haben.

Und: „CO₂-neutral“ ist nicht gleich „emissionsfrei“, weil die Firmen ihren CO₂-Ausstoß oft bloß mit Zertifikaten kompensieren. Ziel sollte jedoch sein, den CO₂-Fußabdruck tatsächlich zu minimieren.

Fazit

Der Einfluss von Streaming-Diensten aufs Klima ist nicht so groß wie der des Fliegens oder des Autofahrens. Vernachlässigen sollten wir ihn deswegen aber nicht! Herstellerbemühungen für mehr Nachhaltigkeit mögen zwar löblich sein, doch wie so oft liegt ein Schlüssel zur Verbesserung bei uns Verbraucher:innen. Deshalb haben wir hier die wichtigsten Tipps zusammengefasst:

Was kann jede:r Einzelne tun?

Nachdem sich nun die IT-Firmen anschicken ihre Hausaufgaben in Punkto Nachhaltigkeit zu machen – was kann jede:r zu Hause tun? Denn streamen tun wir doch irgendwie alle…

Zunächst einmal ist zu beachten, dass der CO₂-Fußabdruck durch die IT nicht so gravierend hoch ist wie in den so genannten „Big 5“ Bereichen [VI]. Ein größeres Klimaschutzpotential hat somit der Umstieg auf Ökostrom, Radfahren, Wärmedämmung, geringerer Konsum tierischer Lebensmittel und selteneres Fliegen.

Da Kleinvieh jedoch bekanntlich auch viel Mist macht, kann der Endverbraucher auch bei der IT Strom sparen und nachhaltiger konsumieren. Durch:

  1. Das Schauen von Videos an kleineren Bildschirmen.
  2. Bei Streaming-Diensten die Autoplay-Funktion für den nächsten Titel abschalten – nur streamen, wenn auch wirklich zugeschaut wird.
  3. Das Löschen unbenutzter Apps (weniger Downloads automatischer Updates).
  4. Weniger Mehrfachsicherung von Daten in der Cloud.
  5. Statt Fernsehen zu streamen die Sendungen über Kabel oder Satellit gucken.
  6. Den WLAN-Router auch mal ausschalten (braucht im Ruhezustand fast genauso viel Energie wie unter Volllast).
  7. Steckerleisten mit Schlater nutzen, um Standby-Stromfresser zu eliminieren.
  8. Endgeräte möglichst lange nutzen (den neuen PC nach 6 Jahren, statt nach 4 Jahren zu kaufen, spart massiv CO₂ ein, da am meisten Energie bei der Herstellung in Ländern wie China verbraucht wird, wo die Energie hauptsächlich durch Kohle gewonnen wird).

 

[I] „Grüner Klicken“, Greenpeace bewertet den Energieverbrauch von Internetunternehmen. Greenpeace 2017, verfügbar als PDF

[II] „Klimakiller oder Klimaretter? – Der CO₂-Fußabdruck der IT“, C’t, Ausgabe 6/2020

[III] Schätzungen des Netzwerkzulieferers Cisco, vgl. C’t, 2020

[IV] Greenpeace 2017

[V] Berechnungen des Netzwerkausrüsters Ericsson, siehe C‘t

[VI] Empfehlung des Umweltbundesamtes