Endlich mal abschalten!

Redaktion GP Deggendorf • 11 März 2023
in der Gruppe Greenpeace Deggendorf
Vergissmeinnicht-Blüten
Von Ilona Kienle / 11.03.2023

Atomkraft: riskant, überflüssig, teuer

Zum 12. Jahrestag von Fukushima informierten wir auf Schautafeln über nukleare Katastrophen weltweit. Was würde sich dazu besser eignen, als Vergissmeinnicht zu verteilen?

Gruppenfoto vor dem Info-Stand am Deggendorfer Stadtplatz
© Ilona Kienle / Greenpeace Deggendorf

Gerade dann, wenn mal wieder heftig über Atomkraft debattiert wird, darf der 11. März 2011 nicht vergessen werden. Als im hochtechnisierten Industrieland Japan ein Horrorszenarium wahr wird. Das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi gerät außer Kontrolle und löst den Supergau aus. Mehr als 22.000 Menschen verlieren ihr Leben, Hunderttausende ihre Heimat. Fukushima wird zu der am stärksten radioaktiv verseuchten Region der Welt.

Hilfreich wäre auch die Erinnerung an die nukleare Apokalypse im ukrainischen Tschernobyl. Im April 1986. Der Reaktor explodiert, zehn Tage brennt der Block. Die ganze Region verstrahlt – verseucht – unbewohnbar. Menschen sterben. Mit der Luft wird Radioaktivität über ganz Europa verteilt. Vor allem Bayern ist betroffen. Doch die deutsche Bundesregierung wiegelt ab. Keine Gefahr. Messwerte werden zurückgehalten, Kühe fressen kontaminiertes Gras. Erst im Mai gab es erste Warnungen.

Die lange Liste von Katastrophen, kleinen und größeren Störfällen

Schautafeln des Info-Standes am Deggendorfer Stadtplatz
© Ilona Kienle / Greenpeace Deggendorf

Klar, Tschernobyl und Fukushima bleiben im Gedächtnis. Sind aber mit Ottawa/Kanada 1952, Sellafield/Großbritannien 1957, Three-Mile-Island/USA 1979 oder Forsmark/Schweden 2006 nur die Spitze des Eisberges. Denn die Geschichte der zivilen Atomkraft ist eine Geschichte von Katastrophen, Beinahe-Katastrophen, die eines gemeinsam haben: Sie wurden verheimlicht, vertuscht, verharmlost. Allein in Deutschland gab es über 6500 Pannen in deutschen AKW. Die schwere Wasserstoffexplosion in Brunsbüttel und eine ganze Serie von Störfällen in Krümmel stehen hier ganz vorne.

Jahrelanger Protest bewirkt Veränderung

Seit Gründung kämpft Greenpeace gegen Atomkraft. Die Ablehnung ist so alt wie die Technologie selbst, schließlich entstand Anfang der 1970-er die Anti-Atomkraft-Bewegung. Mit Massenprotesten. Jahrzehnte haben sich Greenpeace-Aktivist:innen gemeinsam mit Atomkraftgegner: innen vor Bagger und Castor-Transporter gestellt, an Gleise und Tore gekettet. Sie wurden von der Polizei mit Wasserwerfern von der Straße gespült, von der Straße geprügelt. Sie wehrten sich 1985/86 gegen eine Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf – und das erfolgreich. Obwohl sie Franz-Josef Strauß als so ungefährlich wie eine Fahrradspeichenfabrik bezeichnete. Sie erkämpften 2005 das Verbot der Atommülltransporte zur Wiederaufbereitung, sie verhinderten Gorleben. Schließlich erreichte Greenpeace ein weltweites Verbot der Atommüllverklappung im Meer. Meilensteine in der Geschichte der Anti-Atom-Bewegung.

Fasser mit Atomzeichen beim Info-Stand am Deggendorfer Stadtplatz
© Ilona Kienle / Greenpeace Deggendorf

Das kollektive Entsetzen über Fukushima führte schließlich zum Ausstieg aus der Kernenergie. Zum 31. Dezember 2022 sollte Schluss sein. Dann kam der Ukrainekrieg. Ängste wurden geschürt und Szenarien eines Stromausfalls heraufbeschworen. So wurde entschieden, die drei noch laufenden AKW Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland in einem Streckbetrieb bis längstens 15. April 2023 am Netz zu lassen. Obwohl sie seit 2019 ohne reguläre Sicherheitsüberprüfung laufen. Das ist verantwortungslos und gefährlich.

Atommüll – strahlendes Erbe für tausende Generationen

Ein Blick auf den Rest der Welt zeigt, dass der Anteil von Kernenergie zur Stromerzeugung eher gering ist. Er sank erstmals unter zehn Prozent und wurde von Wind- und Solarkraft überholt. In der EU nutzen 13 von 27 Staaten den Atomstrom. Spitzenreiter ist Frankreich, gefolgt von der Ukraine und der Slowakei. Österreich und Italien sind schon vor Jahrzehnten ausgestiegen, Spanien und Belgien werden folgen. Andere EU-Staaten halten nicht nur am Atomstrom fest, sie treiben ihn mit neuen Reaktorblöcken weiter voran. Risiken werden ausgeblendet. Und in Russland, China und den USA ist er ohnehin nicht totzukriegen.

Aktuell scheint es sogar, als würde Atomkraft eine Renaissance erfahren. Wären nach Klimakiller Kohle die einst hässlichen, grauen Atommeiler wieder schick. Werden als Brückentechnologie hoffähig gemacht. Und gehen in der EU-Taxonomie sogar als nachhaltig durch. Doch wer Klimaschutz will, muss auch raus aus der Atomkraft. Alles andere ist atomare Illusion. Wie angeblich sichere Reaktoren der 4. Generation. Die unbequeme Wahrheit ist nun mal, dass Atomkraft im Ernstfall nicht kontrollierbar ist. Hinzu kommt das wohl größte Problem – der Atommüll. Über 400 Atomkraftwerke weltweit produzieren jedes Jahr tausende Tonnen hochradioaktiven Müll. Aber die Endlagerung ist selbst nach 70 Jahren ungelöst. Auch in Deutschland fragt man sich wohin damit. Letztendlich brauchen wir Atomstrom nicht einmal für die Versorgungssicherheit. Das bestätigt auch die Bundesnetzagentur. Tatsächlich lieferten die drei letzten AKW gerade mal vier Prozent des Stroms.

Aktivistin beim Verteilen von Vergissmeinnicht beim Info-Stand am Deggendorfer Stadtplatz
© Ilona Kienle / Greenpeace Deggendorf

Wär da noch die Mär vom billigen Strom, der mit Milliarden schweren Subventionen künstlich niedrig gehalten wird. Wenn wir nun alles mit einrechnen, vom Uranabbau über den Kraftwerksbau bis zur Endlagerung, kostet eine Kilowattstunde Atomstrom über 40 Cent – fünfmal mehr als Strom aus Windkraft. Obendrein verstopfen AKW die Stromnetze. Denn sie laufen immer, während Windräder abgeschaltet werden. Das ist absurd!

Die Zukunft ist erneuerbar

Dennoch fordern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CDU-Chef Friedrich Merz ganz unverblümt einen Weiterbetrieb der letzten drei aktiven AKW bis 2024. Söder findet gar, Fracking sollte auch in Deutschland möglich sein – natürlich in Niedersachsen, weit weg von Bayern. Ungeachtet dessen, dass diese umweltschädliche Methode seit 2017 in Deutschland ohnehin verboten ist. Dieser unverantwortlichen Politik muss die Stirn geboten werden. Sind doch Wind, Sonne, Wasser und Erdwärme längst da. Sie sind die Energiequellen der Zukunft und unschlagbar.

Der Ausstieg steht fest. Wenn nun am 15. April die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz gehen, werden wir erleichtert sagen: „Gut, dass wir sie los sind!“

 

Mehr Infos unter: https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/atomausstieg

 

Info-Stand am Deggendorfer Stadt-Platz mit Infotafeln und Fässern mit Atomzeichen
© Ilona Kienle / Greenpeace Deggendorf

 

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