Studie "Kernwaffen in Deutschland"

Sonja Hochgesand
Sonja Hochgesand Greenpeace e.V. • 20 Oktober 2020
in der Gruppe Themengruppe Frieden

Die neue Greenpeace Studie beleuchtet die Hintergründe zur nuklearen Teilhabe

Autor der Studie ist Moritz Kütt (IFSH). 

Zusammenfassung: 

Zwei Komponenten machen die deutsche nukleare Teilhabe aus: Die technische Teilhabe, bestehend aus 20 US-amerikanischen Kernwaffen und der Bereitstellung deutscher Flugzeuge und Pilot*innen für einen möglichen Einsatz. Und die politische Teilhabe, durch die Deutschland in die Entscheidungen zur Nuklearstrategie der NATO einbezogen wird, vor allem in der Nuklearen Planungsgruppe. Die in Büchel stationierten Kernwaffen sind Bomben, das heißt sie fallen nach Abwurf antriebslos zu Boden. In Deutschland sind derzeit Flugzeuge des Typs PA-200 (Tornado) als Trägersysteme vorgesehen. Unter idealen Bedingungen wird für diese Flugzeuge ein Kampfradius von 1390 Kilometern angegeben. Damit können kaum Ziele außerhalb von NATO-Staaten erreicht werden. Eine Luftbetankung ist technisch möglich, aber nur in Gebieten mit NATO-Lufthoheit. Neue Trägerflugzeuge ändern die Situation nicht, der Kampfradius der aktuell als Ersatz diskutierten F/A-18E/F beträgt rund 1300 Kilometer. Die Auswirkung eines Einsatzes der stationierten Kernwaffen wäre verheerend. Die beim Typ B61-3 stärkste einstellbare Sprengkraft (170 Kilotonnen TNT-Äquivalent) ist rund dreizehnmal höher als die Sprengkraft der 1945 über Hiroshima eingesetzten Waffe. Ein solcher Einsatz erzeugt eine Druckwelle, die im Umkreis von 2,5 Kilometern Wohnhäuser zerstören kann. Selbst die kleinste mögliche Sprengkraft der Waffe (300 Tonnen TNT-Äquivalent) würde bei mehr als 50 Prozent der Menschen in einem Umkreis von 680 Metern um den Explosionsort zu einer tödlichen Strahlendosis führen. Genaue Einsatzpläne für die Kernwaffen sind nicht bekannt. Die Waffen in Deutschland sind prinzipiell für den Ersteinsatz von nuklearen Waffen in einem bewaffneten Konflikt geeignet. Ein solcher Einsatz ist nach aktueller NATO-Doktrin nicht ausgeschlossen und könnte durch die folgende Eskalationsspirale einen weltweiten Nuklearkrieg auslösen. Im Rahmen der politischen nuklearen Teilhabe sitzen alle NATO-Mitglieder außer Frankreich in der Nuklearen Planungsgruppe. Diese soll die Nukleardoktrin der NATO bestimmen und überprüfen. In der Frühphase der Planungsgruppe wurden umfassende Studien zu den Auswirkungen des Einsatzes in Europa stationierter Waffen diskutiert. Für die Treffen der letzten Jahre gibt es keine Informationen zu deren Inhalt, zusammenfassende Abschlussberichte werden seit 2007 nicht mehr veröffentlicht. Im Frühjahr 2020 startete in Deutschland eine umfassende Debatte zur Zukunft der nuklearen Teilhabe. Demnächst wird vermutlich das strategische Konzept der NATO überarbeitet, und Beschaffungsentscheidungen für die deutschen Trägersysteme stehen an. Dieses Papier stellt wichtige Informationen zu den technischen Aspekten der Stationierung, einem möglichen Einsatz und der NATO-internen Entscheidungsfindung zu nuklearen Fragen zusammen und formuliert eine Reihe von zukunftsweisenden Empfehlungen an Politik und Zivilgesellschaft.