Fleisch ja – aber nur aus guter Haltungsform?

Wir schlängeln uns vorbei an prall gefüllten Einkaufswägen. Im Hintergrund das monotone und altbekannte „bip – bip“ der Kassierer*innen, wie sie ein weiteres Produkt über die Kasse ziehen. Beim Abarbeiten der Einkaufsliste machen wir kurz Halt am Obst- und Gemüseregal, den Nudelsoßen und der Schokolade. Gedanklich gehen wir die Liste noch einmal durch: „Ja das hab ich, das hab ich, das hab ich auch“ bis wir an dem Punkt „Hackfleisch für die Bolognese“ hängen bleiben. Das fehlt bis jetzt noch. Also machen wir uns auf zum Kühlregal.

Doch es gibt nicht nur eine Sorte Hackfleisch, die dort angeboten wird. Da gibt es Haltungsform 1, 2, 3… Doch was macht da den großen Unterschied? Der Preis. Bei jeder bessern Haltungsform sind es ein paar Cent bis Euro, die wir mehr zahlen.

Doch dann erblicke ich das Angebot der Woche: Hackfleisch Klasse 1 für 99 Cent. Und natürlich werden wir von der roten Aufschrift „Angebot der Woche“ so angelockt, dass wir uns, ohne einen Gedanken zu verschwenden, für dieses Produkt entscheiden. Was macht das schon für einen Unterschied? – Für uns: Ein paar Cent günstiger beim Wocheneinkauf.

Doch irgendetwas bleibt in dieser Rechnung unberücksichtigt und erscheint nicht auf dem Kassenbon. Das Leid, welches ein anderes Tier dafür bezahlen musste.

In Gesprächen mit Freunden und in der Familie fällt, wenn es um das Thema Fleischkonsum geht, fast immer der Satz: „Ja ich esse Fleisch, aber nur aus guter Haltungsform und Bio“.

Doch wie kann es dann sein, dass bei Fleisch der Bio-Anteil in Deutschland so gering ist? Im vergangenen Jahr lag er bei Bio-Geflügel bei etwa 2,6 Prozent, bei Rotfleisch bei 3,6 Prozent.[1]

Es ist sicher, dass Teile der Bevölkerung bei ihrem Einkauf auf eine gute Haltungsform achten, aber die Zahlen zeigen, dass es sich nicht, wie wir immer sagen, um die Mehrheit handelt.

Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind sich bei ihrem Kauf nicht darüber im Klaren, welchen Unterschied die jeweilige Zahl der Haltungsform auf der Verpackung bedeutet. Daher folgen hier einmal ein paar Informationen im Überblick, welche Bedeutung hinter der Nummerierung, der einzelnen Haltungsformen steht.[2][3][4]

Bei Haltungsform 1 handelt es sich um Stallhaltung. Sie beschreibt den gesetzlichen Mindeststandard für die Haltung von Schweinen von 0,75m² pro Tier und Masthühnern mit max. 39 kg/m². Bei Rindern und Puten zeigt Stufe 1 die branchenübliche Haltung an, da es für diese Tierarten keine speziellen Haltungsvorschriften gibt. Bei Rindern bedeutet das eine Platzvorgabe von 1,5 m² – 2,2 m² je nach Gewicht.

Haltungsform 2 ist die sogenannte „StallhaltungPlus“. Schweine, Masthühner, Puten und Rinder haben etwas mehr Platz im Stall und zusätzliches Beschäftigungsmaterial, Kühe dürfen nicht angebunden sein. Zum Beispiel hat ein Schwein hier 10 Prozent mehr Platz

Die 3. Haltungsform trägt die zusätzliche Bezeichnung „Außenklima“. Sie bedeutet, dass die Tiere neben noch etwas mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 40 Prozent, das Entsprechen 1,05m²/Tier) Kontakt mit dem Außenklima haben. Zum Beispiel in einem überdachten Außenbereich am Stall oder durch eine nach außen offene Stallseite. Auch Futter ohne Gentechnik ist vorgeschrieben.

Haltungsform 4 ist die sogenannte Premium Haltungsform. Sie bietet den meisten Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 100 Prozent, mind. 1,5 m²/Tier) und einen tatsächlichen Auslauf der Tiere im Freien. Das Futter ist ebenfalls ohne Gentechnik. In diese Stufe ist Biofleisch einzuordnen. Auch konventionell erzeugtes Fleisch ist hier anzuführen, wenn die Tierhaltung die Anforderungen erfüllt.

Das war eine kurze Übersicht über die verschiedenen Haltungsformen und ihre jeweilige Bedeutung. Das Problem, welches sich in Bezug auf die verschiedenen Formen zeigt, ist, dass das Angebot an Fleisch, der verschiedenen Haltungsformen unterschiedlich stark vertreten ist.

Im Sommer 2019 hat ein bundesweiter Marktcheck ergeben, dass das Angebot überwiegend aus der Haltungsform 1 stammt. Die erneute Überprüfung im Herbst 2020 zeigte eine nur unwesentliche Verbesserung:

51 Prozent der Produkte stammten aus Haltungsform 1. Hier fanden sich vor allem Fleischangebote vom Schwein und Rind.

36 Prozent - weit überwiegend Geflügel - war mit Haltungsform 2 gekennzeichnet.

Die Stufen 3 und 4, die als einzige für deutlich bessere Haltungsbedingungen stehen, machten insgesamt nur 13 Prozent des Angebotes aus. Insbesondere das Angebot in Stufe 3 war mit knapp drei Prozent verschwindend gering.[5][6][7]

 

Folglich haben Verbraucher damit nur eine sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeit bei Fleisch aus deutlich verbesserter Tierhaltung. Der Anteil von Fleischprodukten in den Haltungsform-Stufen 3 und 4 muss darum deutlich erhöht werden.

Zusammenfassend sollte festgehalten werden, dass wir uns darüber bewusst sein sollten, dass jeder Kauf eine Stimme ist, eine Wahl, die wir treffen können, wie viel Leid wir einem Tier zumuten. Oder wir könnten auch eine ganz andere Wahl treffen, denn neben dem Hackfleisch von unserem Wocheneinkauf, liegt auch vermehrt eine vegane Alternative, die wir wählen können und diese ist ganz unabhängig von jeder Haltungsform entstanden.

 

[1] „Zahlen, Daten, Fakten zur Bio-Branche“. Zugegriffen 29. September 2021. https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-landwirtschaft/zahlen-date….

[2] Haltungsformen. „Home Haltungsform“. Zugegriffen 29. September 2021. https://www.haltungsform.de/.

[3]„Haltungsform-Kennzeichnung im Handel: Die Auswahl bleibt mangelhaft | Verbraucherzentrale.de“. Zugegriffen 29. September 2021. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelprod….

[4] Busch, Gesa, Achim Spiller, und Georg-August-Universität Göttingen. „Warum wir eine Tierschutzsteuer brauchen – Die Bürger-Konsumenten-Lücke Positionspapier“, o. J., 29.

[5] Deutsche kaufen mehr Bio-Fleisch: Marktanteil jedoch weiter gering“. Zugegriffen 29. September 2021. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/deutsche-kaufen-mehr-bio-fleisch….

[6] „BÖLW_Branchenreport_2021_web.pdf“. Zugegriffen 29. September 2021. https://www.boelw.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Zahlen_und_Fakten/…

[7] Gründer, Kerstin. „Alles bio? – Warum unsere Fleischwahl nur wenig beeinflusst“. quarks.de (blog), 30. August 2019. https://www.quarks.de/gesundheit/ernaehrung/alles-bio-warum-unsere-flei….