Interview mit Cristiane Mazzetti: "Warum gefährdet der Sojaanbau die Cerrado-Region?"

Ich freue mich, dass unsere Kollegin Cristiane Mazzetti, die als Waldexpertin bei Greenpeace Brasilien arbeitet, spontan meine Intervieweinladung angenommen hat. Im Interview frage ich Sie:


👉 Warum ist der Anbau von Soja ein Problem in der Cerrado-Region?
👉 Setzt sich Greenpeace Brasilien für den Schutz des Cerrados ein und wenn ja, wie?
👉 Wie können die Menschen in Deutschland und Europa helfen, den Cerrado besser zu schützen?

Das Interview ist auf englich. Unter dem Video findet ihr eine schriftliche Version des Gesprächs in deutscher Sprache.     

 

Übersetzung des Interviews:

Melanie: Hi Kris, schön, dass du da bist und vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview mit mir nimmst. Bevor wir anfangen über Soja und den Cerrado zu sprechen, stell dich gerne einmal vor und erzähle ein bisschen, wozu du arbeitest.
Kris: Hallo Melanie und ‘Hallo’ an alle, die zuschauen. Vielen Dank für die Einladung! Ich bin Christiane Mazzeti, oder auch Kris. Ich komme aus Brasilien und arbeite für Greenpeace Brasilien als Waldkampaignerin.

Melanie: Kannst du uns etwas genauer erzählen, warum die Sojaproduktion so problematisch für die Cerrado-Region ist?
Kris: Ok, also der Cerrado ist eine Region in der viel Soja produziert wird. Die Expansion des Sojaanbaus in dieser Region steht teilweise in Verbindung mit der Zerstörung natürlicher Ökosystemen und weiteren Konflikten. Es ist wichtig zu betonen, dass es für diese Region keine Schutzverpflichtungen, wie das Soja-Moratorium für die Amazonas-Region, gibt. Falls ihr das Soja-Moratorium nicht kennt: das ist ein Abkommen, welches im Jahr 2006 geschlossen wurde und in dem sich die wichtigsten Händler:innen, die Soja aus dem Amazonas-Gebiet beziehen, dazu verpflichten, kein Soja aus Gebieten zu verwenden, die nach Juli 2008 entwaldet wurden. Im Cerrado gibt es aber nichts Vergleichbares. Einige Unternehmen haben eigene Richtlinien oder Verpflichtungen für entwaldungsfreie Lieferketten, aber es gibt nichts, was alle Händler:innen in der Region dazu verpflichtet.

Ein weiterer Aspekt, der den Cerrado gefährdet, ist die Tatsache, dass unser Waldgesetz mehr legale Entwaldung im Cerrado zulässt. Bis zu 65% bis 80% der Fläche von Grundstücke in diesem Gebiet dürfen legal entwaldet werden, wenn eine Genehmigung vorliegt. Im Amazonasgebiet sind es dagegen nur 20%. Das ist ein weiterer Grund, warum es wichtig ist, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Cerrado zu ergreifen.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass der Cerrado ein sehr klimarelevantes Ökosystem ist. Er speichert Kohlenstoff und ist die artenreichste Savanne der Welt. Außerdem wird er oft als brasilianischer Wassertank bezeichnet, da viele Flüsse dort entspringen und in andere Regionen fließen. Es gibt also eine Verbindung zwischen dem Cerrado und anderen Ökosystemen in Brasilien. Doch fast die Hälfte der natürlichen Vegetation wurde bereits zerstört, um Platz für Viehzucht und Sojaanbau zu schaffen.

Erwähnenswert ist auch, dass Greenpeace International 2019 einen Konflikt aufgedeckt hat, bei dem es um eine große Farm namens Estrondo Estate geht, auf der traditionelle Gemeinschaften leben und es einen Konflikt um den Landbesitz gibt. Es handelt sich um einen Fall, der Landgrabbing, die Zerstörung des Cerrado und Konflikte um Land miteinander verbindet. Dies ist jedoch nicht der einzige Fall, es gibt noch weitere, und auch deshalb brauchen wir zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Cerrado.

Melanie: Vielen Dank! Arbeitet denn das brasilianische Büro derzeit zum Schutz des Cerrados?
Kris: Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir uns im brasilianischen Büro auf den Amazonas konzentrieren, aber auch die umweltfeindliche Politik unserer derzeitigen Regierung bekämpfen und aufdecken. Die Auswirkungen dieser umweltfeindlichen Politik, zum Beispiel die Änderung von Gesetzen und die Schwächung von Umweltbehörden haben nicht nur Folgen für den Amazonas, sondern auch für den Cerrado, das Pantanal und andere Ökosysteme. Wir kämpfen also gegen diese politische Agenda und versuchen, die Auswirkungen zu minimieren.

Melanie: Danke für die Erklärung, Kris. Ich habe noch eine letzte Frage: Wie können Menschen in Europa oder sogar in Deutschland helfen, den Cerrado zu schützen?
Kris: Jetzt gerade gibt es eine sehr gute Möglichkeit, Ökosysteme auf der ganzen Welt vor Rohstoffen zu schützen, die mit Waldzerstörung in Verbindung stehen. Und zwar durch das neue EU-Gesetz gegen weltweite Waldzerstörung, das derzeit diskutiert wird. Das Problem ist, dass der Gesetzesentwurf nicht den gesamten Cerrado abdeckt, da er größtenteils nur für Wälder gelten wird. Das ist ein Problem, weil wir dann einen Teil des Cerrado hätten, in dem Unternehmen, die Produkte wie Soja in die EU verkaufen, keine gesetzlichen Standards anwenden müssten, um sicherzustellen, dass die Produkte, die sie verkaufen, nicht mit Naturzerstörung oder Konflikten mit lokalen und indigenen Gemeinschaften usw. verbunden sind. Ich würde sagen, dass es in diesem Moment sehr wichtig ist, dass die Menschen in Deutschland Druck ausüben für ein starkes EU-Gesetz gegen weltweite Waldzerstörung.

Melanie: Dann hoffen wir, dass viele Leute die Greenpeace-Petition unterschreiben, die unsere Politiker:innen auffordert, sich für ein starkes EU-Gesetz einzusetzen! Nochmals vielen Dank für das Interview. Ich wünsche dir alles Gute für die nächsten Monate und hoffe, dass wir alle zusammen Druck auf das EU-Gesetz ausüben können, um alle wichtigen Ökosysteme zu schützen, nicht nur die Wälder, sondern auch den Cerrado. 
Kris: Wie ich bereits sagte, befinden wir uns in einem Zeitfenster, in dem die Politiker:innen über Verbesserungen dieses Gesetzes diskutieren. Es ist wirklich wichtig, dass die Menschen weiterhin Druck auf sie ausüben, sonst riskieren wir, dass diese wichtigen Elemente nicht in das Gesetz aufgenommen werden und das Gesetz geschwächt wird. Denn wir wissen, dass es auch eine Lobby aus dem privaten Sektor gibt, die einige Aspekte des Entwurfs abschwächen will.

Melanie: Vielen Dank, einen schönen Tag noch. Tschüss, Kris!
Kris: Danke, Tschüss!