update zur aktuellen Lage in Brasilien

Melanie  Manegold
Melanie Manegold Greenpeace e.V. • 7 Mai 2020
in der Gruppe Themengruppe Wald

Wir sind in engen Kontakt mit unseren brasilianischen Greenpeace-Kolleg*innen und uns alle eint, dass die derzeitige Situation eine Herausforderung darstellt und jede und jeder von uns seinen Weg findet, mit der ungewohnten Situation umzugehen. An dieser Stelle möchten wir euch unseren Eindruck schildern, wie sich die aktuelle (politische) Situation in Brasilien gestaltet. 

Covid-19 ist inzwischen auch im Amazonas-Regenwald angelangt. Der Umgang von Seiten der brasilianischen Regierung ist beunruhigend. Auch wenn Indigene meist geographisch isoliert sind, ist ihre Sicherheit im Waldgebiet aufgrund der auch dort vorhandenen vielschichtigen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen bedroht. Der dürftige infrastrukturelle Ausbau des brasilianischen Gesundheitssystems im Amazonasgebiet im Zusammenhang des Virus ist ein weiterer gefährdender Faktor für die Indigenen. Darüberhinaus haben Indigene den mangelhaftesten Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung und zu sanitären Anlagen. Der strukturelle Rassismus und die Vernachlässigung der brasilianischen Behörden verschärft die ohnehin schon prekäre Situation. Auch wenn indigene Gemeinschaften vom Regenwald abhängig sind, haben diese aufgrund ihrer historisch epidemiologischen Verwundbarkeit freiwillig Isolationsmaßnahmen durchgeführt .

Auch während der Pandemie ist die Entwaldung weiterhin ein Problem. Im ersten Quartal von 2020 war die Rate der Abholzung um 51% höher als im selben Zeitraum des letzten Jahres. Durch die anhaltende Entwaldung erhöht sich das Risiko, dass das Virus durch Eindringlinge – wie illegale Holzfäller oder Mienenarbeiter – selbst in vermeintlich isolierte Gebiete der Indigenen verschleppt wird. Kritisch ist zudem, dass es zu wenige Labore mit zu geringen Testkapazitäten im Amazonas gibt, welche Untersuchungen durchführen können.

Neben Corona ist aber auch die Bedrohung durch gewalttätige Invasionen durch Eindringlinge nach wie vor ein Problem. Nach Angaben der Brasilianischen Pastoralen Landkommission (CPT) ist derzeit eine deutliche Steigerung der Zahlen an Morden, versuchten Mordes oder Morddrohungen zu verzeichnen. Davon betroffen waren insbesondere Indigene, die sich für ihre Landrechte einsetzten. Zusätzlich lies sich auch eine Steigerung der Invasionen im Jahr 2019 aufzeigen. In 150 unterschiedlichen indigenen Territorien wurden 160 Fälle des illegalen Eindringens dokumentiert. Diese beinhalten (gewalttätige) Straftaten, wie zum Beispiel sieben Morde an indigene Oberhäuptern.

Eigentlich sollte man meinen, dass die brasilianische Regierung alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Amazonas inklusive der Indigenen sowohl vor Zerstörung als auch vor der Pandemie zu schützen. Stattdessen werden kriminelle Machenschaften wie Land- und Holzraub oder illegale Mienen in indigenen Gebieten toleriert.  Auch die nationale Behörde für Indigene Angelegenheiten (FUNAI) spiegelt diese Akzeptanz wider, da sich unter Bolsonaros Regierung ihr Kurs stark verändert hatte. Diese gab eine Anweisung heraus, die die Möglichkeit für die Besetzung und den Verkauf von 237 indigenen Gebieten mit einer Fläche von 9,8 Mio. Hektar eröffnet. Allerdings wurde diese bisher noch nicht genehmigt.

Die aktuelle politische Entwicklung zeigt besorgniserregende Tendenzen auf. In den nächsten Wochen soll über das Landraub-Begnadigungsgesetz MP 910, auch genannt Land-Grabbing MP (MP da Grilagem), abgestimmt werden. Sollte das Gesetz in Kraft treten, bedeutet dies, dass Millionen Hektar öffentliches Land legalisiert wird, welches bis 2018 illegal besetzt und abgeholzt wurde. Die Gesetzesvorlage wurde bereits im Dezember 2019 von Bolsonaro unterzeichnet. Bis zum 19. Mai muss die MP 910 vom Kongress und Senat verabschiedet werden, da es ansonsten seine Gültigkeit verliert. Aufgrund der Corona-Krise ist eine baldige Zustimmung wahrscheinlich, da das Parlament ohne Kommission und jegliches öffentliches Publikum fernabstimmt.

Gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus NGOs und sozialen Bewegungen appelliert Greenpeace an die Kongressabgeordneten und Senatoren die MP 910 abzulehnen. Somit fordert Greenpeace auch die Klarstellung der Bundesregierung, dass die derzeitige Politik der brasilianischen Regierung im Hinblick auf den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und anderer natürlicher Ökosysteme sowie den Schutz des Rechte der Indigenen inakzeptabel ist. Zum einen sollte die Bundesregierung Brasilien die Unterstützung bei der Covid-Krise anbieten, um den Schutz der Indigenen, die von einem Genozid bedroht sind, zu gewährleisten. Zum anderen sollte die Bundesregierung Brasilien die Unterstützung im Umwelt-Monitoring anbieten. Zusätzlich fordert Greenpeace das Zurückziehen der Unterstützung für das EU-Mercosur-Abkommen und stattdessen eine krisenfeste europäische Handelspolitik fordern, welcher der gerechten Entwicklung und dem Klima- und Biodiversitätsschutz zugutekommt.

 

Wenn ihr Fragen oder Anmerkungen habt, dann schreibt mir gerne direkt eine Nachricht oder hinterlasst hier einen entsprechenden Kommentar.

LG Melanie