Mythen zu Biosprit

Kerstin Fleischer
Kerstin Fleischer Greenpeace e.V. • 8 Juli 2022

Mythen zu Biosprit

Getreide und Pflanzenöle werden massenhaft als Biosprit in Autotanks verheizt. Das sind Pflanzen, die auch für Nahrungsmittel verwendet werden könnten oder in Konkurrenz zu Lebensmitteln Flächen in Anspruch nehmen. Die Biosprit-Industrie und die FDP verteidigen diese Verschwendung hartnäckig. Dazu verbreiten sie zahlreiche Mythen. Greenpeace hat zusammen mit anderen Umweltverbänden 10 dieser Mythen zusammengestellt und mit Fakten widerlegt:

Mythos N°1: Für Biosprit wird nur sogenanntes Futtergetreide verwendet, das für die menschliche Ernährung ungeeignet ist?

FALSCH ‼️: Brot- und Futterweizen unterscheiden sich nur geringfügig in ihrer Backfähigkeit. Futterweizen hat einen geringeren Eiweißgehalt, aber auch aus eiweißärmerem Weizen können bei entsprechend angepassten Backprozessen hochwertige Backwaren produziert werden. Derzeit werden nur rund 30 Prozent der Weizenproduktion in Deutschland für Lebensmittel verwendet. Experten wie Prof. Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim gehen aber davon aus, dass mehr als 80 Prozent des angebauten Weizens backfähig wäre. Es gibt beim Backen zahlreiche Möglichkeiten, um mit geringeren Proteinmengen des Weizens zurechtzukommen, etwa die Nutzung von Vor- oder Sauerteigen oder die Anpassung der Knetenergie. So könnten eine Million Tonnen Weizen, die aktuell bereits auf den deutschen Äckern wachsen, zusätzlich als Brotweizen verwendet werden. Im Kern geht es außerdem um die belegten Flächen. Das aktuell bereits ausgesäte Futtergetreide (Weizen, Roggen) kann wie beschrieben zu großen Teilen für die menschliche Ernährung genutzt werden, die kommenden Aussaaten können und sollten im Kampf gegen Hunger und steigende Lebensmittelpreise direkt für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden.

Mythos N°2: „Der Einsatz von Biokraftstoff ermöglicht signifikante Treibhausgas- Einsparungen. Biokraftstoff ist unverzichtbar zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr.“

FALSCH ‼️: Der Einsatz von Agrokraftstoff reduziert die Emissionen nur auf dem Papier, tatsächlich wird die Klimakrise durch Agrosprit zusätzlich angeheizt. Die amtlichen Zahlen suggerieren, dass durch Agrokraftstoff Treibhausgase eingespart würden, aber in der Bilanz klafft eine gewaltige Lücke: Der Flächenverbrauch für den Anbau der Pflanzen wird in keiner Weise berücksichtigt. Rapsfelder, Getreideäcker, Palm- und Sojaplantagen für Kraftstoff beanspruchen weltweit riesige Landflächen. Auf 6,5 Prozent2 der deutschen Ackerfläche wachsen Pflanzen für Kraftstoff, rund um den Globus dienen aktuell fast 1,9 Millionen Hektar – eine Fläche so groß wie Sachsen – der Produktion von Agrokraftstoff allein für deutsche Verbrenner-Autos. Der Agrokraftstoff-Konsum der EU beansprucht – konservativ geschätzt – weltweit über 5 Millionen Hektar Anbaufläche. Berücksichtigt man diesen enormen Flächenverbrauch in der Klimabilanz, ist Agrokraftstoff sogar noch deutlich klimaschädlicher als fossiler Kraftstoff. Zahlreiche Studien, unter anderem im Auftrag der EU, haben gezeigt, dass der zusätzliche Flächenbedarf für Agrokraftstoff direkt oder indirekt dazu führt, dass bisher unbewirtschaftete Landfläche neu erschlossen wird. In Folge dessen werden natürliche Ökosysteme zerstört, oft in tropischen Ländern – mit extrem negativen Folgen für Klima und Biodiversität. Grundsätzlich bedeutet der immense Flächenverbrauch für Agrokraftstoff, dass insgesamt weniger Land für natürliche Ökosysteme zur Verfügung steht, die Kohlenstoff speichern und wichtige Lebensräume bieten könnten.

Mythos N°3: : „Verzichten wir auf Biokraftstoff, muss noch mehr fossiler Kraftstoff eingesetzt werden und wir machen uns noch abhängiger von fossilen Importen (u.a. aus Russland).“

FALSCH ‼️: Der Einsatz von Agrokraftstoff hat nur sehr geringen Einfluss auf unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Im Gegensatz dazu hat er enorme Auswirkungen auf Verfügbarkeit und Preise von Nahrungsmitteln. Ein Ende des Einsatzes von Agrokraftstoff kann daher die derzeit eskalierende globale Nahrungsmittelkrise spürbar eindämmen. Der zusätzliche fossile Kraftstoffbedarf wäre überschaubar und ließe sich zudem leicht mit anderen Maßnahmen wie einem Tempolimit kompensieren...Um uns aus fossilen Abhängigkeiten zu befreien, muss Verkehr zudem wo immer möglich vermieden bzw. auf klimafreundliche Verkehrsträger, insbesondere Fahrrad, Bahn und ÖPNV, verlagert werden. Gleichzeitig muss die Elektrifizierung vorangetrieben werden.

👉 Weitere Fakten zu Biosprit-Mythen findest du im großen Fakten-Check im Anhang.

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